Wem es beim Wandern auf bekannten und kurzen Pfaden rasch zu eng wird, kann sich auf europäische Fernwanderwege verlagern: Auf einem der 12 offiziellen europäischen Fernwanderwege „verläuft es sich“ leicht, besonders etwas abseits von Städten. Viele Wege folgen alten Pilger- oder Handelsrouten, grenzüberschreitend und nicht selten über tausende Kilometer.
Im Folgenden möchten wir dir lohnenswerte Weitwanderwege, darunter auch einige der bereits erwähnten europäischen Fernwanderwege vorstellen. So unterschiedlich diese Fernwanderwege auch sind: Sie bieten Abwechslung, Weitläufigkeit, haben verhältnismäßig wenige Besucher und sind daher ideal für eine bewusste Auszeit.
E3 – Ein Fernwanderweg durch das Herz Europas
Distanz: ca. 6.950 km
Schwierigkeit: mittel (je nach Abschnitt)
Startpunkt: Atlantikküste bei Santiago de Compostela (Spanien)
Endpunkt: Schwarzes Meer bei Nessebar (Bulgarien)
Dauer: ca. 8–12 Monate (gesamte Strecke); 2–6 Wochen je Teilabschnitt
Deine Fernwanderung beginnt dort, wo Pilger ihre Reise beenden – an der Atlantikküste bei Santiago de Compostela – und zieht sich in einem weiten Bogen durch die Mitte Europas bis ans Schwarze Meer.
Auf dieser Route quer durch den Kontinent kommst du durch acht Länder und passierst sehr unterschiedliche Landschaften: Im Westen die rauen Höhenzüge der französischen Pyrenäen, später die liebliche Fränkische Schweiz in Deutschland oder die schroffen Felsen der Slowakischen Karpaten. Besonders faszinierend ist der Abschnitt durch das Slowakische Paradies (Slovenský raj) mit seinen wilden Schluchten, dem Wasserfall „Suchá Belá“ und den gleich daneben liegenden Leiterstegen im Fels, auf denen du die Wassertropfen direkt auf deiner Haut spürst.
Kurz vor deinem Ziel am Schwarzen Meer wartet die mystische Stimmung der Rhodopen in Bulgarien, wo du bei Bachkovo ein gleichnamiges Kloster erreichst – das älteste Osteuropas. Der Abschluss in Nessebar, einer antiken Hafenstadt mit byzantinischer Altstadt, krönt diese kulturell wie landschaftlich vielseitige Wanderreise.
E11 – Über weitläufige Landschaften ans Ziel
Distanz: ca. 2.070 km
Schwierigkeit des Fernwanderwegs: leicht bis mittel
Startpunkt: Scheveningen (Niederlande)
Endpunkt: Litauen (via Polen, Lettland)
Dauer: ca. 3–4 Monate (gesamte Strecke); 1–3 Wochen je Teilabschnitt
Der E11 ist eine Route für Fernwandernde mit einer Vorliebe für ruhige, aber nicht minder beeindruckende Landschaften. Du startest am Strand von Scheveningen und gehst vorbei an den weiten Dünen der niederländischen Nordseeküste in Richtung Osten.

Zaghafte Pfade im Veluwezoom Park führen durch die wilde Landschaft.
Auf dem Weg durchquerst du den Nationalpark Veluwezoom, das älteste Naturschutzgebiet der Niederlande, mit weiten Heideflächen, alten Buchen und Wildtieren – vom Baummarder bis zum Schottischen Hochlandrind und Rothirsch.
In Polen wartet dann die berühmte Masurische Seenplatte, mit Orten wie Mikołajki oder dem verschwiegenen Śniardwy-See, dem größten See Polens. Auf diesem Fernwanderweg erlebst du eine fast vergessene Kulturlandschaft mit Alleen und urigen Dörfern.
In Estland endet der E11 im Lahemaa-Nationalpark, wo du durch Kiefernwälder und über Holzstege zu alten Gutshöfen wie Palmse und Sagadi wandern kannst – und am Ostseeufer ein Gefühl von Weite und Wind erlebst, das nur wenige Wanderwege bieten.
GR 221 – Mallorcas wilder Trockenmauerweg
Distanz: ca. 150 km
Höhenmeter: ca. 6.200 m
Schwierigkeit: mittel bis anspruchsvoll
Startpunkt: Port d’Andratx
Endpunkt: Pollença
Dauer des Fernwanderwegs: 7–10 Tage
Der Fernwanderweg GR 221 zeigt dir Mallorcas unbekanntere Seite – fernab des Tourismus, ursprünglich und duftend. Der Weg verläuft durch das UNESCO-geschützte Tramuntana-Gebirge, auf uralten Trockenmauern, die früher Olivenhaine und Gärten voneinander trennten.
Zu den Highlights gehören das abgeschiedene Kloster Lluc, das schon seit Jahrhunderten ein Ort der Einkehr ist, das Künstlerdorf Deià mit Blick über das Meer und die spektakulären Terrassen von Biniaraix.

Die alten, steinigen Pfade der Terrassen von Biniaraix lassen die Fantasie spielen.
Die Strecke ist teilweise anspruchsvoll – Steinstufen, Geröll und enge Pfade sind auf diesem Fernwanderweg keine Seltenheit. Entlohnt werden deine Mühen mit einer Landschaft von dramatischer Schönheit: mit Felsen, Wellen, Kiefern und Einsamkeit.
Eifelsteig – Auf Vulkanpfaden durchs Herz Deutschlands
Distanz: ca. 313 km
Höhenmeter: ca. 6.200 m
Schwierigkeit: leicht bis mittel
Startpunkt: Kornelimünster (Aachen)
Endpunkt: Trier
Dauer: 15–18 Tage
Der Eifelsteig durchquert eine der geologisch spannendsten Regionen Deutschlands – vom Schiefergebirge bis zur Vulkaneifel. Neben weiten Wäldern, Bachläufen und Felsformationen wanderst du hier auch entlang historischer Spuren, wie der alten Römerstraße in Richtung Trier.
Zu den landschaftlichen Höhepunkten zählen die grasigen Maare von Daun, die in Felsen einschneidende Teufelsschlucht bei Ernzen sowie die Gerolsteiner Dolomiten, die mit ihren Kalkfelsen fast alpin wirken.
Historische Sehenswürdigkeiten wie die noch gut zu erkennende Ruine der Burg Manderscheid oder die römischen Baudenkmäler in Trier (z. B. die Porta Nigra) machen den Weg zu einer Kulturreise durch eine der stilleren Ecken Deutschlands.
Via Transilvanica: Die große Reise durch Rumänien
Distanz: ca. 1.400 km
Höhenmeter: über 25.000 m
Schwierigkeit: mittel bis anspruchsvoll
Startpunkt: Putna
Endpunkt: Drobeta-Turnu Severin
Dauer: ca. 70–100 Tage (auch abschnittsweise möglich)
Die Via Transilvanica ist Rumäniens junger Fernwanderweg – ein Mosaik aus Kultur, Geschichte und unberührter Natur. Von den Karpaten bis zur Donau wanderst du durch verschiedene Regionen und Sprachlandschaften, von den Bukowinischen Klöstern bis zu den Dörfern Siebenbürgens.
Zu den eindrucksvollsten Stationen zählen das berühmte Kloster Putna, wo du deine Reise beginnst, das mittelalterliche Sighișoara (Schäßburg) – Geburtsort von Vlad Tepes (Dracula) – sowie die Kirchenburg von Viscri, die zum UNESCO-Welterbe gehört.
Zwischendurch gibt es immer wieder Bergetappen mit weitem Blick, etwa in den Cindrel-Bergen, oder Abschnitte entlang der Donau, wo du nichts als das Zirpen der Grillen hörst.
Rota Vicentina – Küstenwandern am wilden Atlantik
Distanz: ca. 230 km (Fishermen’s Trail + Historical Way)
Höhenmeter: ca. 4.500 m
Schwierigkeit: mittel
Startpunkt: Santiago do Cacém
Endpunkt: Cabo de São Vicente (Vila do Bispo)
Dauer: 12–14 Tage
Auf der Rota Vicentina in Portugal begibst du dich auf eine der ursprünglichsten Küstenrouten Europas – rau, windig, weit. Der Fishermen’s Trail führt dich auf schmalen Wegen entlang der Klippen, oft direkt über dem Meer. Du passierst versteckte Buchten, dramatische Felsen und kleine Orte, in denen das Leben vom Fischfang geprägt ist.
Besonders lohnend sind die Abschnitte rund um das Fischerdorf Zambujeira do Mar, die Dünen von Praia de Almograve und der abschließende Abschnitt zum Cabo de São Vicente – der windumtoste südwestlichste Punkt Europas, wo sich Himmel und Meer fast zu berühren scheinen.

Checkliste für deine Fernwanderung in Europa – Tipps für deine Planung
1. Strecke & Timing
- Strecke & Stil wählen: Bekannt (mehr Infrastruktur) oder einsam (mehr Eigenständigkeit) + Schwierigkeit realistisch einschätzen.
- Saison & Wetterfenster prüfen: Klima, Tageslicht, Gewitter-/Sturmzeiten.
- Etappen grob planen: Realistische Distanzen, Puffer-/Ruhetage; Ausstiegspunkte (ÖPNV) notieren.
- Regeln/Genehmigungen klären: Regeln beim Campen, in Nationalparks, Feuer-Verbote, Jagdzeiten.
2. Fitness & Vorbereitung auf den Fernwanderweg
- Zeit & Kondition ehrlich einschätzen.
- Training einbauen: Wochenendtouren mit Gepäck/Höhenmetern – auch als Generalprobe.
- Tagesdistanzen realistisch halten – lieber konstant ankommen als überziehen.
3. Logistik & Budget
- Übernachtungsstrategie: Zelt/Hütte/Pension – Mischmodell.
- Verpflegung & Einkauf: selbst Kochen ja/nein mit dem richtigen Equipment, Einkaufs-Orte, Brennstoffverfügbarkeit.
- An- & Rückreise organisieren; Zusatzkosten (Shuttles/Gebühren) einkalkulieren.
- Budgetrahmen setzen und Puffer für Unvorhergesehenes einplanen.
4. Sicherheit & Navigation auf deiner Fernwanderung
- Notfall-Basics: 112, kleines Erste-Hilfe-Set mit Rettungsdecke.
- Kommunikation in Funklöchern: Notfall-App oder Sat-Messenger; Check-ins mit Kontaktperson.
- Wetterstrategie: Hitze/Kälte/Gewitter – lokale Prognosen prüfen.
- Navigation sichern: Offline-Karten + GPX, Papierkarte; nationale Markierungen kennen.
5. Ausrüstung & Alltag
- Leicht & funktional: Passender Rucksack, eingelaufene Schuhe, Regen-/Wärmeschutz.
- Schlafsystem passend zur Temperatur: Zelt/Tarp/Hütte (legal & wetterfest).
- Wasser & Energie: 2–3 l Kapazität + Filter/Desinfektion; Handy, Stirnlampe, Powerbank.
- Dokumente & Drybags: Ausweis, Karten/Bargeld, alles trocken verpacken.
- Tagesrhythmus & Etikette: Früh starten, regelmäßig trinken/snacken, Blasenprävention; die Leave-No-Trace-Grundsätze beachten.