Für mich gehört der Hohlaubgrat zu den lohnendsten Hochtouren der Alpen. Schon die Übernachtung auf der Britannia-Hütte ist ein Ereignis – genau wie ihre Entstehung. 1912 wurde sie von den Engländern auf der britischen Insel gebaut, in ihre Einzelteile zerlegt und mit Zug, Schiff und Mauleseln auf 3.030 Metern hoch über dem Ferienort Saas Fee eins zu eins wieder aufgebaut. Ein Bild der Einweihung hängt in Dario Andenmattens Gaststube. Der Walliser ist Hüttenwart aus Leidenschaft, und Skilehrer.
Von der magisch gelegenen Terrasse der Berghütte genießt man eine fantastische Aussicht auf einige der spannendsten „Wolkenkratzer“ der Schweiz – z. B. auf das Strahlhorn, Rimpfischhorn, Allalinhorn, den Hohlaubgletscher oder den Allalingletscher. Und natürlich den Hohlaubgrat, der einem am Abend vor der Bergtour ganz schön furchteinflössend vorkommt.
Die Hütten-Crew verwöhnt die Gäste – am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, wird ein traditionelles Raclette serviert. Die bunte Gästeschar ist begeistert! Alle versuchen, möglichst viel Wasser und Tee zu trinken, damit sich die Höhe nicht zu stark mit Kopfschmerzen bemerkbar macht. Früh begeben sich alle in die Schlafräume. Die Nacht wird kurz. Um vier Uhr früh wird man fürs Frühstück geweckt.
Die Rucksäcke sind schon am Vorabend gepackt. Los geht’s in den dunklen, kalten Morgen mit dem grellen Licht der Stirnlampen. Der Weg führt zuerst hinunter auf den Hohlaubgletscher. Hier werden die Steigeisen angeschnallt und angeseilt. Einige Seilschaften sind an diesem Tag unterwegs. Die Spur führt zuerst sanft ansteigend über den zerfurchten Gletscher bis zum Grat. Je höher wir steigen, desto steiler wird es. Bei der ersten kurzen Felsbarriere genießen wir den Sonnenaufgang bei Schokolade und warmem Tee. Wir lassen den Blick zum Horizont gleiten, beobachten, wie der Tag erwacht. Da sind sie wieder, diese unvergesslichen, magischen Momente am Berg, die einem alle Strapazen vergessen lassen.
Die Morgensonne wärmt uns. Weitere steile Aufschwünge am Grat mahnen zur Vorsicht und sicheren Fußtritten. Vor dem Allalin-Gipfel, der auf der Normalroute zu den einfacheren Viertausendern gehört, erwartet uns eine kurze, luftige und senkrechte Felswand, die mit den Steigeisen überklettert wird. Sie weist eine Schwierigkeit im dritten Grad auf, ist aber mit Stiften und Bohrhacken gut abgesichert. Schon fast etwas dankbar durch die Warteschlange der Alpinisten beim Einstieg in die Wand, genehmigen wir uns hier eine weitere Pause.
Gestärkt meistern auch wir diese Schlüsselstelle und steigen die letzten Meter am Grat aufwärts zum stolzen, eisernen Gipfelkreuz, das seit vielen Jahren Wind und Wetter trotzt. Nicht nur die dünne Luft in dieser Höhe, auch die Aussicht rundherum raubt uns fast den Atem. Beim Abstieg über den einfachen Normalweg durch die schneebedeckte West-Flanke, fühlen wir uns fast wie auf einem Spazierweg. Der Gegenverkehr der aufsteigenden Bergsteiger ist beträchtlich.
Der Aufstieg vom Hohlaubgrat ist vom Schwierigkeitsgrad nicht jedermanns Sache, bleibt uns aber unvergessen. Weiterhin ist konzentriertes Absteigen gefragt: die meisten Unfälle passieren beim Abstieg. Dank der Metro-Alpin Bahn schweben wir hinunter nach Saas Fee. Dort lassen wir uns vom bekannten Bäckermeister Lukas Imseng in seinem Tea-Room mit Walliser Spezialitäten aus der eigenen Backstube verwöhnen und den erlebnisreichen Tag bei einer Führung im eigenen Museum ausklingen.
Tourdaten
- Start- und Endpunkt: Saas Fee
- Dauer / Gehzeit:
1. Tag: ca. 1 Stunde
2. Tag: ca. 7 Stunden - Höhenmeter aufwärts: ca. 1.050
- Höhenmeter abwärts: 580
- Schwierigkeit: ZS (ziemlich schwierig), Felsklettern 3 Grad, bis zu 40° steile Firnpassagen
- Übernachtungsmöglichkeit: Britannia SAC Hütte (3.030 m)
Achtung! Zwingende vorherige Reservierung; www.britannia.ch, Telefon 0041 27 957 22 88
Tag 1: Britannia Hütte
Übernachtung Britannia SAC Hütte
Zugang ab Felskinnbahn. Gehzeit ca. eine Stunde
Koordinaten Britannia Hütte 638.420/101.070
Tag 2: Gipfel Allalinhorn 4.027 m
Aufstieg ab Britannia Hütte 4-5 Stunden
Koordinaten Allalinhorn Gipfel 635.290/099.490
Abstieg zur Bahn Station „Mittel Allalin“ 2 Stunden
Tourenausrüstung (Komplettes Hochtouren Equipment)
- Bergtauglicher Rucksack ca. 30 Liter
- Steigeisentaugliche Bergschuhe
- Steigeisen mit Antistollplatte
- Pickel
- Teleskopstöcke
- Anseilgurt
- Bergseil
- Karabiner
- 2 Expressset
- Gletscher-Sicherheitskit
- 2 Eisschrauben
- Stirnlampe
- Bergtaugliche, atmungsaktive Bekleidung im Zwiebelschichtensystem mit Mütze und Handschuhe
- Sonnencreme mit Schutzfaktor 50
- Sonnenbrille
- Helm
- Dünner Hüttenschlafsack, Kissenbezug (Corona Bestimmung), Maske
- Persönlicher Waschbeutel
- DAV-, ÖV- oder SAC Ausweis falls vorhanden
- Bargeld und Kreditkarte
- First Aid Kit
- Mobiltelefon mit vollem Akku und Ladekabel (in der Hütte aufladbar)
- Fotoausrüstung
- Thermosflasche 1 Liter
- Leichte Verpflegung für unterwegs
Autor: Michi Bösiger
Fotos: Caroline Micaela Hauger www.peakart.ch und Michi Bösiger
Gast-Alpinist: Sandro Bösiger
Weitere Impressionen von Michis Hochgebirgstour auf das Allalinhorn: