Dieses Mal geht es hinab in die Unterwelt – tief hinein in den Zinalgletscher in den Walliser Alpen, der aufgrund außergewöhnlicher Witterungsumstände einen magischen Tunnel freigab.

Riesenwürfel aus glasklarem Eis – sie liegen chaotisch zerstreut am Boden herum und erinnern an eine Szene aus einem Science-Fiction Streifen auf einem fremden Eisplaneten. Die Eiswände glitzern in den Lichtstrahlen unserer Stirnlampen. Seitlich strömt ein glasklarer Bach und formt eine Furche durch das Eis. Wir lauschen dem Geräusch der herunterfallenden Wassertropfen. Überall hängen Eiszapfen von der Decke. Es knistert, knarrt, und ab und zu knallt es.

Charmantes Maiensäss-Dörfli

Die Fotografin Caroline Micaela Hauger und ich erfuhren durch einen Zufall, während unserer Skiferien auf der Riederalp bei Art Furrer, von einem außergewöhnlichen Ereignis. Durch besondere Witterungsbedingungen hatte sich ein Zugang zu einer Riesenhöhle tief ins Innere des Zinalgletschers gebildet, der aus der Vereinigung von drei Gletschern entstanden ist. Völlig fasziniert von diesem Phänomen machten wir uns auf den Weg.

Der Ausgangspunkt dieser Tour ist das kleine Bergdorf Zinal im Val d’Anniviers, im schweizerischen Wallis. Im einheimischen Dialekt eine typische “Maiensäss-Siedlung“. Wie abgemacht treffen wir hier Daniel, Bergführer und Entdecker dieser Gletschergrotte.

Bevor wir den Zugang erreichen, wandern wir zuerst mit Schneeschuhen, beladen mit unserem Equipment in den Rucksäcken, ca. drei Stunden Richtung SAC-Tracuit-Hütte aufwärts, mit Blick auf das Massiv des Weisshorn. Angekommen bei einer imposanten, senkrechten Eismauer, mitten auf dem Gletscher, deponieren wir hier alles, was wir in der Höhle nicht benötigen und stärken uns mit heißem Tee und Lunch.

Michi beim Klettern am Zinalgletscher.

Simsalabim: Gletscher öffne dich!

Ein schmaler Spalt führt uns in eine gigantische Eishalle. Vorsichtig und langsam bewegen wir uns durch diese Wildheit. Ein Fehltritt hier wäre fatal. Es sind überall weiterführende Spalten erkennbar. Daniel platziert kleine Steinmänner auf dem Weg als Orientierung, damit wir den Eingang auch wieder finden. So unglaublich groß ist diese Eiswelt.

Zinalgletscher in den Walliser Alpen

Weiter vorne suchen wir uns einen Durchgang durch die vielen Eisblöcke, klettern steil aufwärts und kriechen durch eine schmale Ritze in den nächsten Dom. So weit in dieser Höhle war selbst Daniel noch nie! Alles leuchtet und reflektiert, sobald der Lichtstrahl unserer Stirnlampen darauf trifft. Wir können uns nicht satt sehen. Eine zeitliche Vergangenheit wird sichtlich in diesem ewigen Eis. Hätten wir einen eingefrorenen Säbelzahntiger entdeckt, wir wären nicht überrascht gewesen!

Instinktiv spüren wir den Druck der Riesenmasse des Gletschers über uns. Etwas angespannt kontrollieren wir immer wieder, ob die Decke noch standhält. Uns wird wieder einmal bewusst, der ganze Gletscher ist in dauernder Bewegung.

Michi beim Erforschen der Eismassen.

Die Sonne lockt uns wieder hervor

So langsam wird das Licht unserer Stirnlampen immer schwächer, die Akkus unserer Kameras sind nahezu bei null. Es wird Zeit, diese Märchenwelt wieder zu verlassen. Durch die Gletscheröffnung führt der Bach, mit nun sichtlich erhöhtem Wasserstand, feines Geröll hinaus.

Die Sonne scheint durch die Öffnung des Gletschers.

Bei der Schneeschuhwanderung zurück sind wir doch etwas müde und spüren durch die Kletterei unsere Knochen und Muskeln. Tief in unserem Inneren wissen wir: Das war vermutlich ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis. Wie lange diese Eishöhle noch begehbar ist, ist nicht vorhersehbar.

Ausrüstung für diese Abenteuertour:

Anforderungen:

  • Kondition: alleine der Auf- und Abstieg zum Eingang benötigt ca. 5 Stunden
  • Beweglichkeit
  • Wille und Lust zum Abenteuer
Michi bahnt sich den Weg durch Eis und Schnee.

Tipps:

Diese Begehung kann nur im Winter und zu speziellen Zeitfenstern (witterungsabhängig!) durchgeführt werden. Es wird im Winter früh und schnell dunkel, daher unbedingt einen festen Zeitplan erstellen. Diese Tour bitte nur mit einem Bergführer oder anderem ausgebildeten lokalen Kenner unternehmen.

Bericht, Film © Michi Bösiger
Fotos © Caroline Micaela Hauger, www.peakart.ch

Dieser Artikel wurde im Januar 2015 veröffentlicht und Dezember 2018 überarbeitet.

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