Unser Schweizer Mitarbeiter Michi Bösiger machte sich auf den Weg zu einer eindrucksvollen Gletscherwanderung: Sie führt durch den imposanten Morteratschgletscher zur Bovalhütte.
Der Morteratschgletscher ist ein Alpengletscher in der Berninagruppe im Kanton Graubünden in der Schweiz. Umrahmt wird er von berühmten Bergen wie Piz Bernina, Piz Morteratsch, Piz Zupo und, wie viele Alpinisten meinen, einem der schönsten Berge überhaupt, dem Piz Palü. Durch diesen Gletscher führt der eindrucksvolle Weg zu der auf 2.495 m.ü.M. gelegenen Bovalhütte des schweizerischen Alpenclubs. Es gibt auch einen Sommerweg zur Hütte, der aber aufgrund von Lawinengefahr manchmal nicht begehbar ist. Es ist dringend empfohlen, sich vor einer geplanten Wanderung beim Hüttenwart über die Bedingungen der zwei Wege zu erkundigen. Auch ist es selbstverständlich, vorher die Übernachtung zu reservieren. Auf der beschriebenen Gletschervariante sollte man etwas Bergerfahrung mitbringen.
Der „Vadret de Morteratsch“, wie er in der einheimischen Sprache genannt wird, ist zusammen mit dem einfließenden Persgletscher mit rund 1,2 Kubikkilometern der volumenstärkste Gletscher der Ostalpen. Seit Beginn der Beobachtung im Jahre 1878 hat er 2,2 Kilometer an Länge eingebüßt, ist aber heute noch rund 6,4 Kilometer lang und damit der drittlängste Gletscher der Ostalpen. Seine Fläche misst beeindruckende 15,3 km².
Ausgangsort unserer Gletscherwanderung ist Pontresina oberhalb von St. Moritz. Von hier fährt man mit der Bahn zur Station „Morteratsch“ (1.896 m.ü.M.), oder parkt, mit dem Auto kommend, gleich hier. In dem wunderschönen Wald in der Nähe befindet sich auch ein Campingplatz.
Die Gletscherwanderung beginnt
Frühmorgens starten wir, ausgerüstet mit der kompletten Gletscherausrüstung: Steigeisen, Pickel, Anseilgurt, kurzes Bergseil. Da ich vermute, dass auf dem Gletscher noch immer viel Schnee liegt, nehmen wir zusätzlich die Schneeschuhe mit. (Diese braucht es ab Juni natürlich nicht mehr.)
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Der Weg führt uns vorbei an einem würzig riechenden Fichtenwald. Ein Gletscherlehrpfad erklärt an 20 Stationen Interessantes über dieses Gebiet. Entlang des Wanderweges stehen auch Schilder zur Dokumentation des Gletscherrückgangs. Nach Überquerung des Gletscherbachs erreichen wir die Gletscherzunge. Hier montieren wir unsere Steigeisen und den Anseilgurt. Auf der einen Seite erkennen wir die Skispuren, die von der Diavolezza-Hütte herunterkommen. Unsere Aufstiegsspur verläuft aber laut Karte rechts haltend und ist auch sehr gut erkennbar. Anfangs eher flach, wird sie dann steiler und führt an tiefen Gletscherspalten und an Bächen, die von den Felswänden plätschern, vorbei. Die ganze Szenerie wird durch liegende und auch stetig herunterfallende Steinbrocken auf beiden Seiten dieses Gletscherbeckens orchestriert.
Die Erwärmung der auftauenden Permaschicht macht sich bemerkbar: Die lauten, tiefen und archaischen Töne lassen mich leicht erschauern und mahnen uns, nicht zu nahe an den Moränen aufzusteigen. Der mittlere Bereich des Gletschers ist von vielen Gletscherspalten durchzogen und sollte momentan nicht durchquert werden, da viele der Spalten immer noch von Schnee überdeckt und deshalb nicht erkennbar sind. Nach einem letzten steilen Aufstieg erblicken wir oberhalb von uns die Hütte, die auf einem Felsen thront.
Ich weiß, dass der Weg dorthin erst noch eine Schlaufe macht, also gönnen wir uns eine Pause inmitten dieser fantastischen Kulisse. Unsere Blicke zieht es magisch zu dem berühmten Biancograt, den wir erst vor kurzem bestiegen haben, und wir bestaunen die riesigen, blau reflektierenden, steilen Eisabbrüche an all den Wänden. Auf der anderen Talseite erheben sich majestätisch der Piz Cambrena und der berühmte Piz Palü, der aus drei Gipfeln besteht. Auch an diese Besteigung erinnern wir uns gerne.
Auf der Terrasse der Hütte sitzen bereits andere Skitourengänger und genießen das grandiose Panorama. Wir löschen erst mal genüsslich unseren Durst und plaudern mit Roberto Costa, dem sympathischen Hüttenwart. Das von ihm zubereitete Risotto ist ein Hit! Nach einem gelungenen Hüttenabend mit vielen Bekanntschaften, leckerem Rotwein und interessanten Gesprächen beziehen wir unseren Schlafraum, der mit einfachen Decken ausgestattet ist. Wir entscheiden uns erst morgen, zu welcher der nächsten Hütten wir weiterwandern, da der Wetterbericht einen Wetterumschwung vorhersagt. Es gibt von hier zwei Möglichkeiten: den Gletscherweg zur Bergstation Diavolezza, oder über den Bovalpass zur Tschiervahütte.
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Überraschend gut erholt wachen wir am Morgen auf und genießen das Frühstück. Es ist merklich warm geworden, was die obere Gletscherdurchquerung nicht sehr angenehm machen würde. Der Gletscher schimmert auffallend golden, da der Wind über Nacht Saharasand hergeweht hat. Wir entscheiden uns, wie auch einige andere Tourengeher, für den Abstieg, da die Wetterfront klar erkennbar ist und rasch näherkommt. Der Abstieg auf den Steigeisen im aufgeweichten Eis ist etwas anstrengender als gestern, und wir müssen vorsichtig gehen, da die Gefahr des Durchtretens in verborgene Löcher unter der weichen Eisdecke erhöht ist. Kaum beim Auto angekommen, beginnt es heftig zu regnen. Wir haben uns wieder mal richtig entschieden.
Facts
- Start: Bahnstation Morteratsch 1896m.ü.M.
- Ziel: Bovalhütte 2495m.ü.M.
- Höhenmeter: 599
- Wanderzeit: Sommerweg ca. 2 1/2 Std, Gletscherweg ca. 3 Std.
- Infos: www.meteoblue.com, www.boval.ch, www.diavolezza.ch
- Wanderkarten: Skitourenkarte 268S Julierpass, 1277 Piz Bernina
- Koordinaten Bovalhütte: 791151 / 143445
- Koordinaten Diavolezza: 794239/ 143224
- Koordinaten Tschiervahütte: 787725 / 142090
Ausrüstung
- komplette Gletscherausrüstung
- mehrschichtige Wetterschutzbekleidung, Sonnenbrille, Sonnenschutz
- Wanderschuhe mit gutem Profil
- Verpflegung / Getränke am besten in einer Thermosflasche von Tatonka
- Bargeld für die Hütte; SAC-/DAV-/ÖV-Ausweis
- Mobiltelefon
- Erste-Hilfe-Set
Text: Michi Bösiger; Outdoor-Guide, Tatonka Schweiz
Fotos: © Caroline Micaela Hauger; Olympus Ambassador Switzerland