Klettergärten, Erlebnispfade, Genuss- und Themenwanderungen, Flying Fox und Klettersteige – vielen gefällt der Sommer in den Bergen inzwischen besser als der Winter. Vor allem das Klettersteiggehen entdecken immer mehr Bergbegeisterte für sich. Klettersteige können beides sein – sportliche Herausforderung auf höchstem Niveau oder eine genussvolle Variante des Bergsteigens mit fesselnden Ausblicken (in die Tiefe).
Am Klettersteiggehen fasziniert das Spiel mit den Extremen: Ausgesetzte Passagen führen an einem 200 Meter tiefen Abgrund vorbei. Eine meterhohe Leiter bringt dich auf das nächste Plateau und dann sind die Armmuskeln gefragt, um mit einem Klimmzug auf den überhängenden Felsvorsprung zu gelangen. Das sorgsam eingeklinkte Klettersteigset und die eigene Trittsicherheit geben das nötige Vertrauen für die schwierigen Stellen. Das Glücksgefühl nach jeder Etappe und erst recht am Gipfel ist so unvergesslich wie der Blick über die angrenzenden Berge und Täler.
Klettersteige: Komfortabel, sportlich oder technisch anspruchsvoll
In den Alpen findest du für jeden Geschmack die passende Klettersteigtour. Vom einfachen, gesicherten Bergsteig, der nur wenig anspruchsvoller ist als ein Wanderweg, über die gesicherten Klettersteige bis hin zu den schwierigen Steigen, die dem alpinen Klettern recht nahe kommen, reicht das Spektrum der Möglichkeiten. Sicherheit ist bei den Spielarten das A und O. Dazu zählt auch, die eigenen Kräfte nicht zu überschätzen, sich nicht zu übernehmen und die Routen sorgsam auszuwählen.
Klettersteige und das Wetter
Schlechtes Wetter kann die Tour nicht nur erheblich erschweren – gerade im Gebirge kann es lebensbedrohlich werden. Bitte studiere daher unbedingt den Wetterbericht ausführlich vor dem Start. Gewitter sind der absolute GAU auf einem Klettersteig.
In der Felswand bist du dem Wetter ungeschützt ausgesetzt und das Eisenseil zieht die Blitze wie ein Blitzableiter an. Die Ausrüstung und das Klettersteigset sind ebenfalls metallisch und durch den Regen wird alles rutschig. Das ist keine Situation, in die du kommen möchtest.
Drohen Blitzeinschläge, solltest du so schnell wie möglich den Klettersteig verlassen und eine Schutzhütte aufsuchen. Falls das nicht möglich ist und du nicht schnell genug vom Klettersteig wegkommst, kann die Schritthocke einen gewissen Schutz bieten. Hocke dich mit möglichst wenig Bodenkontakt hin, um Schrittspannung zu vermeiden. Falls es das Terrain erlaubt, klinke dich aus dem Stahlseil aus. Deponiere alle metallischen Gegenstände weit entfernt von dir und setze einen Notruf ab.
Jetzt lesen: Grundwissen Klettersteige für Einsteiger – Tipps für eine sichere Klettersteigtour.
Professionelle Ausrüstung ist Pflicht
Die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände sind Klettergurt und Klettersteigset. Sie bewahren dich vor dem metertiefen Absturz. Wie schaut ein geeignetes Klettersteigset aus? Elastische Lastarme, Fangstoßdämpfer, leicht bedienbare Karabiner und ausreichende Reichweite zeichnen ein gutes Klettersteigset aus.
Stürze auf Klettersteigen sind trotz Sicherung gefährlich. Die Abstände zwischen Sicherungspunkten sind manchmal mehrere Meter lang. Das heißt, der Stürzende rauscht erst einmal ungebremst das Seil runter bis zum nächsten Sicherungspunkt und erst dann fängt den Sturz das Klettersteigset auf. Konstruktionsbedingt bewahren Klettersteigsets zwar vor dem totalen Absturz, ein kontrollierter Sturz ist aber eben nicht möglich.
Typischer Unfallverlauf ist, dass der Stürzende mehrfach gegen den Fels stößt, bis er sehr hart in den letzten Sicherungspunkt fällt. Einen Sturz auf Klettersteigen gilt es daher immer zu vermeiden!
Ein bequemer und leichter Helm schützt vor kleinen Steinen, die ein unachtsamer Kletterer über dir losgetreten hat. Spezielle Handschuhe verhindern ein Abrutschen oder Verletzungen. Manchmal haben sich aus dem Seil kleine Drähtchen rausgedreht und schneiden schmerzhaft in die Handflächen ein.
Für Klettersteigtouren eignen sich Rucksäcke, die dicht am Körper anliegen, kompakt sind und die Bewegungen des Trägers nicht einschränken. Sie sollten leicht und robust zugleich sein. Für den Ernstfall lohnt es sich ein Erste-Hilfe-Set und auf längeren Touren einen Biwaksack mit im Gepäck zu haben. Hier kannst du dein Basiswissen rund um Erste-Hilfe-Maßnahmen auffrischen.
Klettersteige für Anfänger
Vorbereitung ist alles. Ein kompaktes und punktgenaues Büchlein zur Planung einer Klettersteigtour ist im Bergverlag Rother erschienen: „Klettersteiggehen“ von Pit Schubert verrät alles Wichtige rund um Ausrüstung, Technik und Sicherheit. Es führt den Klettersteigneuling auch in die unterschiedlichen Schwierigkeitsskalen ein, die zur besseren Planung und Orientierung dienen. Außerdem erklärt der Autor, wie du dich am sichersten und kraftschonendsten auf einem Klettersteig bewegst: Überanstrengung und Unachtsamkeit sind noch immer häufigste Unfallursachen.
Klettersteige in den Alpen: damals und heute
Historisch gesehen dienten die Klettersteige, anders als heute, nicht dem intensiven Outdoor-Erleben an schroffen Felswänden: Im ersten Weltkrieg waren die Dolomiten trauriger Kriegsschauplatz. Die Klettersteige und Seilsicherungen sollten die schwer bepackten, italienischen und österreichischen Soldaten vor dem Absturz sichern und den Sturm auf die Feinde erleichtern. Etwa fünfzig dieser historischen Pfade in Südtirol sind heute noch begehbar.
Erst in den vergangenen Jahrzehnten erlebten die Klettersteige zuerst einen zaghaften Neuanfang, der dann aber in einen regelrechten Boom mündete. Unglaublich viele Klettersteige wurden neu und immer spektakulärer gebaut. Heute erstrecken sich über 1.500 Klettersteige in den Alpen. Und natürlich ist bei den herrlichen Gipfelpanoramen und der Vielzahl an spannenden Routen noch kein Ende der Begeisterungsstürme in Sicht.
Unser Lese-Tipp: Leichte Klettersteige in den Alpen – Die drei schönsten gesicherten Steige für trittsichere Wanderer.
Falls du jetzt auf den Geschmack gekommen bist: Die schönsten, spannendsten und vielfältigsten Klettersteigtouren veröffentlichte der Rother-Verlag in seinem „Klettersteigatlas Alpen“, in dem „über 900 Klettersteige zwischen Wiener Wald und Côte d’Azur“ verzeichnet sind. Wir wünschen dir viel Spaß bei deinen Touren!
Anmerkung: Dieser Artikel wurde ursprünglich im Oktober 2012 veröffentlicht und im April 2017 überarbeitet.