Michi Bösiger, unser Schweizer Mitarbeiter, lässt sich in Vietnam vom größten Höhlensystem der Welt verzaubern.
Klatschnass klettere ich steil aufwärts in die wärmende Sonne. Das gleißend helle Licht blendet mich. Angenehm würzige Luft zieht mich nach draußen. Es kommt mir vor, als ob alle meine Sinne verstärkt sind.
Die Phong-Nha-Höhlen erforschten wir in den vergangenen Tagen schwimmend und in voller Ausrüstung. Immer wieder abwechselnd mit Kletterpartien an den wundersamen Stalagmiten. Einmal mehr erfuhr ich hautnah, wie kraftvoll die Natur ist. Aber auch, wie klein und unbedeutend wir Menschen sind. Diese Höhlen existieren seit mehreren Millionen Jahren, die Menschheit hingegen erst seit einigen tausend Jahren.
Jetzt folgen wir einem schmalen Pfad durch den dichten Regenwald. „Aufpassen, dass ihr nicht die „poison ivy“ berührt, einen nesselbestückten Giftbusch“, mahnt uns unser Guide und zeigt, wie wir dieses baumhohe Gewächs erkennen können.
Was für eine atemberaubende Schönheit in dieser Wildnis!
Im Camp am abendlichen Feuer werden wir mit vietnamesischem Barbecue verwöhnt und gestärkt. Genuss pur! Kurz danach liege ich, wie auch die anderen Teilnehmer, für die Nacht in der überdachten Hängematte. Müde von der Anstrengung der vergangenen Tage, träume ich von den vielen knorrigen Gestalten und Wesen, die sich in den Stalagmiten, Stalaktiten und Stalagnaten erahnen lassen.
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Nach drei Tagen Höhlenbegehungen erwartet uns nun der Rückweg zum Startpunkt. Über kleine Berge, quer durch Sumpflandschaften, durch mehrere Bäche, und das bei vietnamesischer Hitze – beeindruckend, aber anstrengend.
Einige Monate vorher
Wir lesen in einer bekannten Zeitschrift den aufsehenerregenden, packenden Bericht über das kürzlich neu entdeckte größte Höhlensystem dieser Erde. „Die größte Höhle der Welt“ – dieser Superlativ weckt unser Interesse. Neugierig sammeln wir alle Informationen:
50 Kilometer nordwestlich der vietnamesischen Stadt Dong Hoi in Quang Binh gelegen, wurde der Phong Nha-Ke Bang Nationalpark, eine der größten Karstregionen der Welt, im Jahr 2003 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Die neu erforschten Höhlen befinden sich 70 Kilometer vom Dorf Phong Nha entfernt. Die Organisation National Geographic startete im Jahr 1992 eine Expedition, um tiefer in das noch unerforschte Regenwaldgebiet vorzudringen. Dabei wurde ein unglaublich großes, zusammenhängendes Höhlensystem entdeckt. Eine Sensation!
Ready to go
Bei der einzigen Organisation, die das Permit der vietnamesischen Regierung und somit die Erlaubnis zur Organisation und Durchführung von Expeditionen in diesem Höhlensystem besitzt, bewerben wir uns als Teilnehmer. Nur 220 Besucher im Jahr erhalten diese Erlaubnis. Der zunächst geplante Termin für die Tour muss kurzfristig annulliert werden, da sintflutartiger Regen das gesamte Gebiet überschwemmt hat. Diese Höhlen sind wegen dem intensiven Monsun nur jeweils von Mai bis August begehbar.
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Einige Monate später erhalten wir endlich die ersehnte positive Nachricht. Nach einigen Vorbereitungen und voller Vorfreude begehen wir die Tou Lan Caves. Sie sind erst seit 2012 geöffnet, aber ausschließlich für vietnamesisch organisierte Touren.
Die Son Doong-Höhle (Bergflusshöhle)ist die größte Höhle der Welt, die noch immer über unerforschte Regionen verfügt. Dieses Wunder ist über sechs Kilometer lang, 200 Meter hoch und 150 Meter breit. In der Mitte findet sich ein Fluss. Die Höhle wurde 1991 von einem Einheimischen entdeckt, aber erst im Jahr 2009 durch eine britische Gruppe von Höhlenforschern genauer erforscht. Die Forscher fanden zwanzig neue Höhlen mit einer Gesamtlänge von 56 Kilometern!
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Tu Lan-Höhlensystem
Unser Guide erklärt uns am abendlichen Feuer bei Reisschnaps die mythische Geschichte des Namens der Tu Lan-Höhle: „Zwei hübsche Frauen waren durch die Wassermassen im Innern dieser Höhle ausweglos gefangen. Das Wasser stieg unaufhaltsam, sie ertranken jämmerlich. Ihre getragenen Halsketten versteinerten.“ Diese einzigartigen „Höhlenperlen“ sind nur hier zu finden.
Paradise Cave
Eine andere sehr beeindruckende Höhle, die wir später erkundeten, ist die Paradise Cave: Der Eingang befindet sich inmitten eines Waldes. Das bedeutet aber erst einmal, mehr als 500 Stufen zu erklimmen. Nur der erste Kilometer ist öffentlich und einfach zu begehen. Ab jetzt steigen wir weit hinunter bis zum Boden der Höhle. Der Abstand zur Decke beträgt oft mehr als 100 Meter! Der Weg ist unmöglich ohne erfahrenen Guide zu begehen. Zu oft besteht die Gefahr, die falsche Abzweigung zu wählen, so groß und verwinkelt ist die Höhle! Nach etwa zehn Kilometern endet der Pfad bei einem kleinen eingebrochenen Decken-Teil. Es erinnert an einen Vulkan, innerhalb eines Berges. Durch die hier einfallenden Sonnenstrahlen fühle ich mich wie zu Beginn der Entstehung der Erde und das – mittendrin. Ein unvergessliches Erlebnis!
Bericht@Michi Bösiger
Film©Michi Bösiger
Fotos©Caroline Micaela Hauger; www.peakart.ch
Anmerkung: Dieser Beitrag wurde im Dezember 2015 veröffentlicht und im August 2017 überarbeitet.